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Depressionen in Corona-Zeiten

"Das Problem ist zu wichtig, um es zu ignorieren."

„Die Freundin meines Freundes hat versucht, sich umzubringen, weil sie diese Isolation nicht mehr aushält“ ... erzählte mir vor einigen Tagen ein Patient.

Vermehrt rufen uns Patienten an, die bereits mit Depression oder Ängsten in Behandlung sind und nun eine Verschlechterung erfahren. Neu ist allerdings die Entwicklung von Ängsten und Depressionen bei Menschen, die vor dieser Krise weitestgehend stabil und ausgeglichen waren. Isolation trifft viele Menschen, die von Natur aus gesellig und kontaktfreudig sind und es nun nicht mehr in gewohnter Weise sein dürfen. Alleinstehende Mütter, die mit ihren Kindern nicht mehr auf den Spielplatz dürfen. Alte Menschen, die früher von Ihren Familien besucht wurden und nun isoliert sind. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Problem, das jetzt anhand von neuesten Untersuchungen und Forschungen belegt wird. Alle sind sich weitestgehend darüber einig, dass rund ein Drittel der Befragten unter psychischen Nöten leiden. Besonders betroffen sind Länder, in denen ein Lockdown gilt.

In der Fachzeitschrift "Lancet Psychiatry" veröffentlichten Ende vergangener Woche britische Psychiater einen Appell, sich stärker um die psychischen Folgen der Pandemie zu kümmern. "Zunehmende soziale Isolation, Einsamkeit, gesundheitliche Sorgen, Stress und wirtschaftliche Probleme - das sind die Bedingungen, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen."

Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, möglichst schnell einen Zugang zu einer Begleitung - sei es psychologisch/psychotherapeutisch oder homöopathisch - zu bekommen. Auch die Gewerkschaft der Psychiater in Frankreich und die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung sehen in der Krise die Chance, die Behandlung psychisch Erkrankter besser zu organisieren, unter anderem durch telefonische psychotherapeutische Beratung.

Was kann ich selbst für mich tun, damit die Isolation keine negativen Folgen auf mich hat?

  1. Struktur: Strukturieren Sie Ihren Tag und Ihre Woche im Vorfeld. Vom morgendlichen Aufstehen, Arbeits- oder Lernzeiten, Mahlzeiten bis hin zu schönen Dingen, wie Lesen, Serie schauen, Balkon bepflanzen, Yoga, Entspannungsübungen, Spazierengehen...
  2. Bleiben Sie aktiv! Eine Runde Joggen oder mit dem Fahrrad fahren wirken Wunder.
  3. Kontakte: Wenn Sie im Homeoffice sind oder gar in Quarantäne, verabreden Sie sich mit Freunden und Familie zum Telefonieren oder per Skype. Auch Chats oder Onlineforen helfen gegen die Einsamkeit.
  4. Schlaf: Sie fühlen sich erschöpft und neigen dazu, sich ins Bett zurück zu ziehen? Dies führt allerdings eher zu einer Zunahme des Erschöpfungsgefühls und der Depressionsschwere. Deshalb empfehlen wir, nicht früher ins Bett zu gehen oder sich tagsüber hin zu legen. Eine feste Tagesstruktur kann dabei helfen.
  5. Therapie: Auch während der bundesweiten Kontaktsperre können Sie in „Ihre“ Praxis gehen. Die Besuche fallen unter die Regelungen, die für Arztbesuche vorgesehen sind und stellen somit eine "notwendige medizinische Leistung" dar. Falls Sie z. B. aufgrund einer Quarantäne nicht kommen können, dann bitten Sie um einen Video- oder Telefontermin.

Was kann ich für andere tun, vor allem für depressiv Erkrankte, damit sie leichter mit der Isolation umgehen können?

1.    Beobachten Sie Ihre Mitbewohner, Ihr Umfeld, Freunde, Eltern, Verwandte. Fürsorge für andere ist in dieser Zeit ein wichtiger Faktor. Sprechen Sie Menschen an, von denen Sie meinen, dass es ihnen nicht gut geht.

2.    Doch vermeiden Sie gutgemeinte Ratschläge. Sätze wie: „nun stell Dich nicht so an“, „lass Dich nicht so hängen“, oder „lach doch mal“ unterstützen nicht. Betroffene isolieren sich automatisch von ihrer Umgebung, weil sie sich schlecht und unverstanden fühlen. Mit den richtigen Worten kann man jedoch einem depressiven Menschen ein Stück weit den Schmerz nehmen, Mut machen und gegebenenfalls aus seinem Versteck locken, um schrittweise wieder mit Freude am Leben teilzunehmen. Worte wie: Du bist nicht alleine; Wir sind für Dich da; Zusammen schaffen wir das, Du bist mir wichtig .... können Trost spenden.

3.    Unterstützen Sie im Alltag, drängen Sie Ihre Hilfe nicht auf. Gemeinsame, kleinere Aktivitäten tun gut, z.B. Spazieren gehen, Online-Treffen, Telefonieren, das Gespräch über den Gartenzaun oder vor der Haustür, eben alles was gerade „erlaubt“ ist. Auch gibt es Nachbarschaftshilfen (z.B. über die Stadt Regensburg oder www.nebenan.de) oder kirchliche Einrichtungen die Unterstützung anbieten.

4.    Wenn es sich um eine diagnostizierte, bzw. schon vorher bestehende Depressionen handelt, unterstützen Sie den betroffenen Menschen bei der Suche nach professioneller Hilfe. Doch nur, wenn er diese Hilfe auch wirklich möchte. Eine offene Kommunikation über die Bedürfnisse ist dabei unerlässlich.